Engagement als Luxus?

Shownotes

Auch wenn sie sonst vielleicht besseres zu tun haben – viele Menschen wollen sich für das Gemeinwohl engagieren, aber für zu viele erscheint das wie ein Luxus. Denn immer noch ist zu oft die Voraussetzung für einen Einsatz, sich wenig Sorgen machen zu müssen.
Wie Podcast-Kolumnist Matthias Hofer darauf kommt, hören sie in dieser Alltagsbeobachtung.

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Einer von diesen sehr sonnigen Frühlingstagen, die noch mit Minusgraden ihren Lauf nehmen, hat gerade erst begonnen. Fast niemand ist unterwegs in der kleinen Stadt am langen Fluss. Höchstens Joggerinnen und Flaschensammler.

An der Uferpromenade vertreibt die Sonne den Frost und ein bärtiger Mann mit Radanhänger säubert seinen Greifarm, der ihm dazu dient Mehrwegflaschen auch zwei Meter unterhalb der Kaimauer aus dem Wasser fischen zu können. Ein Jogger läuft an ihm vorbei und wird aufmerksam auf ein triefend nasses Gebilde voller Schlamm und Schlick und Wasserpflanzen. Der bärtige Mann mit dem Radanhänger packt geschäftig seine Utensilien zusammen. Er will weiter Pfandflaschen sammeln. Das Fahrradwrack, das er gerade aus dem Fluss gezogen und neben dem öffentlichen Mülleimer platziert hat, interessiert ihn schon nicht mehr.

Die Sonne spiegelt sich in tausenden Tropfen auf dem verschlammten alten Fahrrad und kurz hält der Jogger inne. Er überlegt ein Foto zu machen. Oder dem Mann für seine Tat irgendwie seinen Respekt auszusprechen. Es muss schwer gewesen sein, das Rad zu bergen. Der Wasserstand ist tief an diesem Tag und die Stiegen von der Promenade hinab zum Ufer sind in beiden Richtungen weit weg. Doch der Retter des Drahtessels geht schon wieder seine Wege. Es gibt noch viel Pfand zu bergen und einzulösen. Es ist Wochenende und der Frühling ist da.

Wie diese Beobachtung zu interpretieren ist? Mmh.. Die Sorge ums Gemeinwohl, also unser aller Wohl – und da ist die Umwelt und alles was in ihr wirkt eingeschlossen – diese Sorge ist oft auch dort zu finden, wo man sie nicht vermutet. Ein Mann, der sein Auskommen damit bestreitet, das zu verwerten, was andere nicht schert, ist ohne Umschweife dazu bereit etwas zu tun, dass ihm persönlich keinen Vorteil verschafft. Sicher hat er anderes zu tun. Der Schrott bringt ihm kein Geld. Denn um sein Einkommen zu sichern, sammelt er Mehrwegflaschen nicht alte Fahrräder. Aber er hält inne. Er nimmt seine Möglichkeiten wahr und tut das Richtige. Er kümmert sich. Vielleicht braucht er auch nur die Herausforderung. Jedenfalls befreit er den Fluss von Müll.

Wenn also ein Mann wie der Flaschensammler in dieser Geschichte, bereit ist für die Umwelt etwas zu tun. Dann sind mit Sicherheit auch viele weitere Menschen bereit sich für das Wohl Aller einzusetzen. Viele machen es ja auch schon....Auch wenn sie sonst vielleicht besseres zu tun haben. Aber Voraussetzung für einen solchen Einsatz ist es, sich wenig Sorgen machen zu müssen. Es steckt in uns allen. Nur darf es kein Luxus sein, sich zu Engagieren. Ein Grundeinkommen kann das ermöglichen. Irgendwann. Nach dieser Geschichte vom Flaschensammler an der Uferpromenade bin ich mir da sehr sicher.

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